Mit Wasser, Alfajor und Kaugummi eingedeckt, kann ich jetzt auch einen Kaffee kaufen. Mit Milch bitte. Aber gern... Vom Zucker hatte ich nichts gesagt, der ist aber automatisch drin wie mir scheint. Ich marschiere zum Bus und werde aus Versehen von einem Teenager in eine Deodoranthülle eingewickelt. Er meint es wirklich gut.
Das Beladen des Busses geht unglaublich langsam. Keiner weiss so genau, was das Problem ist. Vielleicht sollten einfach alle Angehörigen, die nicht reisen, aus dem Weg gehen. Endlich sitze ich wieder. Der Rasta-Mann neben mir fängt sofort ein Gespräch an, aber um halb acht ist er da bei mir an der Falschen. Das merkt er zum Glück schnell und lässt mich in Ruhe.
Wir fahren an vielen Weinfeldern - heisst das so, wenn sie nicht an einem Berg liegen? - vorbei immer in Richtung der Anden.
Der Rasta-Mann nestelt die ganze Zeit in seinen drei Rucksäcken rum und verteilt dann an die Jüngeren um uns herum jeweils ein paar Schachteln Zigaretten. Er hat anscheinend mehr dabei als erlaubt. Er versucht auch nochmal mit mir ein Gespräch anzufangen, aber ich ziehe es vor, nichts zu verstehen weil ich sicher keine Zigaretten für ihn über die Grenze trage. Eine gute Entscheidung wie sich noch rausstellen wird.
Als wir in die Anden reinfahren, kann ich nur noch aus dem Fenster schauen. Das ist eine Alpenüberquerung x10 im Quadrat. Der Brenner kann einpacken und auch jeder Pass zu Hause. Das hier ist wirklich spektakulär.
Ich weiss, ich habe dieses Wort in den letzten Wochen oft benutzt, aber mir fällt schon nichts anderes mehr ein. Das ist hier wirklich einzigartig.
Vorbei an einem Strassenstand mit dem witzigen Namen Mc Patio mit einem geklauten Mc Donald's Schild fahren wir immer weiter nach oben. Auf fast 4000m geht es wieder bergab. Die Grenze zu Chile ist auf 3600m.
Hier verbringen wir nun die nächsten 3 3/4 Stunden. Eine riesen Schlange aus Autos, LKWs und vor allem Bussen steht ca. 1km vor dem enormen Grenzgebäude von Chile. Wo war denn das Grenzgebäude von Argentinien? Ich brauche doch einen Ausreisestempel. Wird schon klappen. Aber das soll unser geringstes Problem sein. Wir stehen.
Ein paar steigen aus und machen Fotos. Gute Idee. Ich geh auch gleich noch aufs Klo... Alles ist besser als das im Bus. An dieser Stelle muss ich Argentinien ein riesen Lob aussprechen. Auch wenn die meisten Klospülungen immer getropft haben, oder komplett durchgelaufen sind, ich habe nicht ein einziges Mal ein dreckiges Klo gesehen. Im Gegenteil, in Salta im Busbahnhof hat es besser gerochen als auf jedem Flughafenklo dieser Welt!
Zurück nach Portillo in den Anden... Es hat sich nichts bewegt, also kaufe ich mir auch noch etwas zu essen. Irgendwie habe ich es geschafft, kein Früstück und eigentlich ja auch schon kein Abendessen zu haben. Mein Plan, jetzt wieder regelmässig und auch etwas Gutes zu essen, ist schon wieder dahin.
Ich kaufe mir ein chilenisches Empanada, das ungefähr so gross ist wie 3 argentinische. Irgendwie bin ich schon wieder ausser Atem. Ah, die Höhe!
Langsam bewegt sich was und 1h nachdem wir in der Schlange angekommen sind, dürfen wir aussteigen und zur Grenzkontrolle laufen. Argentinien und Chile sind direkt nebeneinander, teilen sich Computer und Lesegeräte. Sehr nachbarschaftlich. Während ich anstehe, fällt mir ein, dass ich noch einen Apfel im grossen Rucksack habe. Sh.... Ich spreche einen der beiden Busfahrer an, er winkt ab und meint, das machen wir nach den Stempeln, da müssen wir das Gepäck ohnehin ausladen. Ok. Ich bin beruhigt. Meine letzten argentinischen Pesos tausche ich in chilenische um und bin plötzlich reich. Der Umrechnungskurs zum Euro is 1:770.
Wir müssen lange auf den Bus warten, der in der Halle von chilenischen Grenzbeamten entladen wird. Ich versuche ihnen zu erklären, dass ich noch einen Apfel in den Mülleimer werfen muss und sie sagen immer wieder, dass ich ihn hätte deklarieren müssen. Das verstehe ich nicht und so warte ich geduldig 3 volle Gepäckwagen ab bis mein Rucksack entladen wird. Den nehme ich dann und packe den Apfel aus. Der nette Grenzbeamte schmunzelt und wirft ihn in eine Tonne. Ich verstehe ja grundsätzlich nicht, warum man die nicht einführen darf, aber ich halte mich natürlich dran und packe meine Rucksack zu den anderen unzähligen Koffern. Jetzt stehen wir alle da und keiner weiss so richtig was passiert. Von Paraguay nach Argentinien musste jeder seine Sachen selbst durch den Zoll tragen. Hier ist das nicht so. Alles wird von den Beamten selbst gemacht. Nach dem 2. Gepäckwagen stoppt alles. Ein paar Leute laufen vor und schauen sich den Koffer an, der alles zum Erliegen gebracht hat. Anscheinend haben sie etwas gefunden und müssen jetzt nur wissen, wem es gehört. Das sollte ja einfach sein. Wir haben schliesslich alle kleine Zettel für unsere Gepäckstücke bekommen. Aber da habe ich wohl zu Deutsch gedacht. Wir stehen rum, immer wieder läuft jemand vor und schaut sich an, ob es sein Koffer ist. Der Besitzer wird nicht gefunden. Das geht ca. 30 min so. Ein Hund läuft mit einem Beamten durch, findet auch nichts... Nichts geht mehr. Wir sind jetzt der einzige Bus in der Halle. Es werden immer mehr Zollbeamte. Ein sehr korpulenter Mann aus unserem Bus, der mit einem Haufen Jugendlicher unterwegs ist, rennt ständig hin und her, keiner weiss, was jetzt geschieht. Ich packe mein iPad aus und fange zu lesen an. Plötzlich starrt mich ein Zollbeamter an, zeigt auf mich und will, dass ich mitkomme. Ich schaue hinter mich um sicherzustellen, dass er mich meint, aber alle um mich herum sind sich einig. Mir rutscht das Herz in die Hose!
Der Beamte geht mit mir um die Ecke und fragt mich in sehr nettem Ton etwas das ich nicht wirklich verstehe. Er wiederholt die Frage, irgendwas mit Zigaretten. Ich versichere ihm, dass ich keine habe. Das glaubt er mir sofort und stellt noch ein paar andere Fragen, ob mich jemand gefragt hat, ob ich für ihn Zigaretten mitnehme. Ich verneine. Er fragt, ob mir etwas im Zusammenhang mit Zigaretten aufgefallen ist. Sh... Jetzt bin ich in der Zwickmühle. Rasta-Mann!
Ich entscheide mich für die Wahrheit und erkläre ihm, dass der Mann mit den langen, dicken Haaren im Bus viele Zigaretten hatte. Er sagt, dass er genau weiss, wen ich meine. Gracias, thank you und ich bin entlassen. So eine Sch... Ich hoffe, der rennt jetzt nicht gleich auf ihn zu. Aber ich hoffe auch, dass wir nach mehr als 2.5h endlich weiterkommen.
Es vergeht eine Weile und die Frau hinter mir fragt, was der Beamte von mir wollte. Ich erzähle nur vom ersten Teil des Gesprächs als es um "meine" Zigaretten ging. Sie klärt mich auf. In der Tasche um die es geht, wurden 15 Stangen Zigaretten gefunden und keiner will jetzt der Besitzer sein. Sie vermuten, dass hier jemand im grösseren Stil Zigaretten schmuggelt und auch den Passagieren noch welche gegeben hat. Hmmmm....
Während wir noch diskutieren, kommt mein Zollbeamter mit einem langhaarigen Mann und befragt mit ihm an seiner Seite Fahrgäste, ob er ihnen Zigaretten gegeben hat. Ich versuche Blickkontakt aufzunehmen, um ihm anzudeuten, dass das ein Anderer ist, aber das klappt nicht. Das ganze dauert nochmal 1h. Am Ende werden alle unsere Handtaschen und Plastiktüten auch noch gescannt und wir können wieder einsteigen. Ich frage den Busfahrer ob die Person gefasst ist, und er sagt ja. Dann steigt Rasta-Mann wieder ein, regt sich ein bisschen auf und setzt sich hin. Ich frage den Kerl hinter mir, was mit der Person passiert ist - es könnte sich ja immer noch um jemand anders gehandelt haben - und er erklärt mir, dass da nichts passiert. Die haben ihn verwarnt, ihm die Zigaretten weggenommen und das war's. Unglaublich!!! Und dafür stehen wir hier 3:45h!
Nun bin ich endgültig raus aus Argentinien. Der Zollbeamte hatte auch schon geschmunzelt über das ständige Rein und Raus. 10 Stempel habe ich von ihnen jetzt im Pass.
Lange Zeit darüber nachzudenken, habe ich nicht. Wir schlängeln uns einen Pass hinunter. Erst nach ein paar Kurven sehe ich wie beeindruckend der wirklich ist!
So geht das jetzt eine ganze Weile. Wir müssen schliesslich wieder nach unten kommen... Die Wasserflasche zieht sich zusammen. Meine Ohren tun weh. Ja, wir verlieren wahnsinnig schnell an Höhe.
Bis nach Santiago sind es jetzt noch knapp 2h...
Am Busterminal ist es wahnsinnig heiss. Meine rechte Seite ist von der ständig blasenden Klimaanlage noch wie gelähmt. Und hier geht jetzt der grosse Streit ums Gepäck los. Fast noch schlimmer als am Flughafen drängelt sich hier jeder vor. Die Entlader brüllen die Nummern und eigentlich sieht man ja schon ziemlich gut, wann man mit seinem Gepäckstück rechnen kann. Unglaublich. Und jetzt kommt neben uns auch noch ein Bus. Das heisst, die Gasse wird auf 1m verschmälert. Man sollt glauben, dass die Leute auf die Seite gehen wenn ein Monstrum wie ein Doppeldecker auf sie zukommt, dem ist aber nicht so. Der Bus kann kaum einparken. Von weitem sehe ich meinen Rucksack und reiche meine Nummer über 5 Leute nach vorne, die den Rucksack dann umständlich zu mir bugsieren. Das hätte einfacher sein können :)
Ich bin zurück in der Zivilisation was Geld betrifft und kann einfach mal schnell 80.000 Pesos abheben. So viel einfacher als die Suche nach einem schattigen Eck mit einem Kerl mit Geldbündel.
So, jetzt zur U-Bahn. Auch das klappt nachdem ich es kapiert habe, dass ich an der Station Universität von Santiago stehe und nicht beim Hostel an der Station Universität Chile.
Die Frau neben mir küsst dauernd ihren Pudel, der ein Kleid anhat und in einer Tragetasche um sie hängt. Mmmhh, lecker.
Aber ich fühle mich wohl hier. Die Leute haben freundliche Gesichter und nach den letzten paar Tagen bin ich froh, viel Leben um mich herum zu haben.
Im Hostel werde ich superfreundlich empfangen und treffe im Zimmer auf Alex, eine Engländerin, die die letzten paar Tage auch krank war und erst so langsam aufsteht.
Wir schauen mal was auf der Dachterrasse los ist... Und so nimmt das Schicksal für den Rest des Abends seinen Lauf. :)
Auf der Dachterrasse sind ein paar Brasilianer und ein Ami. Und es werden immer mehr. Ein paar Chilenos kommen dazu und es gibt viel, viel Bier :)
Erstmal was essen. Wir hauen schnell ab und als Vegetarierin bleiben Alex nicht viele Optionen. Wir enden bei Subway... Einmal geht das schon.
Eine nicht ganz warme Nacht, eine Dachterrasse, ein Haufen Backpacker und ein paar Einheimische, von denen einer SAP Consultant ist... Was will man mehr?
Von bemalten Armen und Einhornmasken rede ich lieber nicht. :)
Hallo Chile! Bisher gefällst du mir!
1 comment:
Hallo Evchen,
vielen Dank für diese virtuelle Weltreise! Viel Spaß auf den Osterinseln und vielleicht hört man sich ja mal zwischendrin...würde mich freuen!
Knutscher,
Julchen :)
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