Sunday, December 14, 2014

14. Dezember Die pakistanische Grenze

Um halb 10 sitzen wir im Auto. 5h bis Amritsar, entlang der pakistanischen Grenze. Auffällig ist schon, dass hier ungefähr die Hälfte der Menschen auf der Strasse Soldaten mit Gewehr im Anschlag sind. Die Strasse ist relativ leer. Es ist Sonntag. Das merkt man schon ein wenig. Der Fahrer hupt trotzdem was das Zeug hält und irgendwann wird es Deepak zu viel. Er fragt ihn ob er nicht weniger hupen kann. Man muss schliesslich nicht jedes Fahrzeug oder jeden Radfahrer anhupen, der am Horizont zu sehen ist. Das hält für ca. 20 min an bevor es wieder los geht. Am Stadtrand sehen wir den ersten offiziellen Müllberg. 

Wir fahren an vielen ausgetrockneten Flussfeldern vorbei und sehen einen überdimensionalen Affengott, der zu viel in der Muckibude war. 

Die Grenze zwischen den beiden Bundesstaaten Jammu Kashmir und Punjab gleicht dem was wir gestern gesehen haben. Autos dürfen einfach durchfahren, aber LKWs stehen hier Stunden. Es ist wie früher am Brenner. 



Kilometerlang steht ein Brummi am anderen und auch die Parkplätze sind bunt von den vielen Fahrzeugen.
In Punjab ist die Strasse sehr gut und unsere Handies funktonieren wieder. Wir kommen schnell voran trotz der ständigen Feisterfahrer. Und die fahren nicht nur vorsichtig am Rand sondern auch auf der inneren Spur. So ein grosser, mit Zuckerrohr hoffnungslos überladener Traktor ist ja auch nicht zu übersehen wenn er einem entgegen kommt. In Indien ist alles erlaubt was geht! Ich zähle 5 Geisterfahrer innerhalb von 10 min. Dann wird es ruhiger. 


Links und rechts rauchen die Schornsteine der Ziegelfabriken. In weniger als 4h sind wir am Stadtrand von Amritsar, brauchen aber fast eine Stunde zum Hotel im Zentrum. Und es ist wieder spannend. Fotos folgen noch...

Eigentlich wollen wir gleich zum Tempel, aber Hunger haben wir auch und heute hätten wir die Chance den Wachwechsel an der Grenze zu Pakistan zu sehen. In einem Dhaba essen wir mit den Einheimischen und probieren zum Nachtisch etwas typisches, auf dem Silber klebt. Das gehört dazu. 

Im Hotel wird unser Plan fast zerstört weil wir anscheinend zu spät sind für den Wachwechsel um halb fünf. Es ist viertel vor drei. Aber alle fahren schon um halb... Das schaffen wir noch! Deepak nimmt seine Schweizer ID Karte mit, damit er bei uns sitzen darf und schon sitzen wir im Auto und rasen los, nicht wissend, was uns hier erwartet. Der Fahrer rast wirklich, überholt wild und manchmal wird mir schon ein wenig schlecht vorne drin. 

Am Gate 3 lässt er uns raus und wir müssen den Rest laufen. Deepak nutzt unseren Ausländerstatus und wir gehen an den Anfang der beträchtlichen Schlange. Die Ausländer dürfen rechts weiterlaufen. Und so kommen wir durch mehrere Sicherheitskontrollen superschnell vorwärts. Durch Lautsprecher werden wir mit irgendwas beschallt, können aber nichts verstehen weil sie so alt sind, dass es nur rauscht. Wir laufen übrigens auf der Strasse, auf der auch die Autos zum Grenzübergang fahren. Für dieses tägliche Spektakel wird hier alles gesperrt. Mir ist ohnehin nicht ganz klar, wie viele Autos hier täglich hin und her fahren. Wegen des Kriegs können das ja nicht so viele sein und die LKWs haben ein extra Tor. Die laden alles im anderen Land ab und kommen sofort wieder zurück. 
Direkt an der Grenze sind auf beiden Seiten Tribünen aufgebaut. Das ist ein wenig so wie im Freilufttheater. Es werden Fähnchen verteilt und man kann T-Shirts und Mützen kaufen. Die Wachmänner haben grosse Fächer auf dem Kopf, aber ihre einzige Arbeit scheint es zu sein, jeden auf einen Platz zu führen. Wir Ausländer haben eine extra Tribüne, ein wenig näher dran als das gemeine Fussvolk, aber nicht so nah wie die VIPs. Von beiden Grenzseiten wird ohrenbetäubend laute Musik gespielt. Es ist wirklich eine krasse Mischung. Auf der anderen Seite sieht man die Tribüne der Frauen, die zu einem Grossteil verschleiert sind. Auf der indischen Seite dürfen die Inder mittlerweile zusammen sitzen. Das ist nicht ganz so bunt. 
Es gibt einen "Einheizer", der die Masse auf India und "Hindustan" einschwört, auf der anderen Seite brüllen alle Pakistan. Bis halb fünf dauert die Vorbereitung. Dann rennen Schulkinder mit indischen Flaggen vor den Zuschauern auf und ab. Richtige Sportskanonen sind da keine dabei. Der Schlagzeugspieler bezieht seinen Posten auf dem Vordach des Grenzgebäudes und die Kette am ohnehin geschlossenen Indien Tor wird weggemacht. Wir sehen wie hinter den Gebäuden die Wachen sich warmmachen und üben das Bein bis zum Hut hochzuschlagen. 
Der Einheizer spielt Bollywood Lieder und die Schulkinder tanzen wild. Das ist wirklich wie im Zirkus. 
Und dann geht es los. Die ersten Wachen - 2 Frauen - laufen im superschnellen Stechschritt vor zum Tor und stellen sich links und rechts davon auf. Davon kommen noch mehr, die alle vorne am Tor die Beine bis zum Hut hochschlagen wie ein Funkenmariechen. 
Das Tor geht auf und die pakistanischen Kollegen machen dasselbe.





Es folgt eine Reihe von Posen, die Kampf symbolisieren. Auf beiden Seiten spielt immer noch superlaut Musik, jetzt aber Live. 

Am Ende werden die Fahnen von beiden Seiten heruntergeholt, gefaltet und weggetragen. Dann wird das Tor wieder geschlossen und die ganze Show ist vorbei.

Alle stürmen zurück.

Das Ganze ist sehr surreal. Hier wird seit Jahrzehnten jeden Tag eine Show gemacht. Sogar Tribünen wurden dafür auf beiden Seiten gebaut und die Grenze ist für mind. 2.5h jeden Tag gesperrt. Während der Show haben einige mit ihren Koffern auf die Ausreise gewartet. 
Und weiter im Norden herrscht noch Krieg zwischen den Ländern. Inder können nicht nach Pakistan einreisen und andersrum. So ganz verstehe ich das nicht. Und noch weniger, dass das eine Attraktion ist, bei der die Inder Hindustan schreien und die Pakistanis Pakistan. 


Die Rückfahrt ist wesentlich entspannter. Unser Fahrer rast nicht mehr so. :)

Der goldene Tempel am Abend ist ein absoluter Traum. Aber um hinzukommen, müssen wir die Schuhe und auch die Socken ausziehen. Bei der Schuhabgabe stinkt es nach Fuss, dass man die Männer, die hier arbeiten, nur bemitleiden kann. Das ist wirklich eklig. 
Der Marmorboden ist a..kalt und die ausgelegten Matten sind nass. Paul juckt's jetzt schon...
Und um aufs Tempelgelände zu kommen, müssen wir zu allem Übel durch einen Fusspool laufen. Ich hüpfe... Das will ich mir wirklich nicht antun. 

Der Tempel ist den ganzen Aufwand aber definitiv wert!!!







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