Thursday, November 21, 2019

15. November Tokio ist einfach eine verrückte Stadt


Heute morgen checken wir aus unserer unglaublichen Suite aus und haben noch keine Ahnung was uns in Tokyo erwartet – hoteltechnisch.
Gretel hat eine Erkältung und fühlt sich entsprechend. Sogar den Kaffee lässt sie heute morgen weg. Das Packen fällt uns sichtlich schwerer, denn obwohl wir beide in den letzten Tagen einige alte Klamotten entsorgt haben und auch Schuhe dagelassen haben, sind doch auch ein paar neue Sachen und vor allem Geschenke für die Lieben daheim dazu gekommen.
Der Hotelbus bringt uns zum Bahnhof und der äußerst freundliche Fahrer, der sich zu Beginn der Fahrt bei allen vorstellt und verneigt, stellt am Bahnhof sogar einen kleinen Hocker vor den Bus, damit die letzte Stufe nicht so hoch ist, wenn wir aussteigen.
Ein letztes Mal buchen wir uns Sitzplätze im Shinkansen. Der japanische ICE, der überpünktlich ist und rasend schnell… Ich finde ihn weniger gemütlich als unseren ICE, er ist funktional und kühl. Dafür ist er aber nie zu spät und wenn ich die Wahl hätte, würde ich nur noch Shinkansen fahren.
Das Einsteigen fällt uns dieses Mal ein wenig schwer. Wir kommen zum Gleis. Hier muss man nun wissen, dass auf dem Boden Aufkleber sind mit den Wagennummern. Wir haben also noch ein paar Meter zu gehen bis wir uns in die auch auf dem Boden vorgeklebte Schlange einreihen können. „Links rum“ fragt Gretel weil auf der rechten Seite eine Schulklasse steht. Die sind ja immer gut zu erkennen, weil sie Uniformen anhaben. „Ja, links rum“ – da kommen aber gerade eine Menge Leute aus dem Zug vom Gegenübergleis. Das ist keine Option. „Also doch durch die Schulklasse“ – „OK“. Das ist nur leider kein Klassenausflug sondern ein Schulausflug. Das Meer an dunkelhaarigen, mit dunkelblauen Outfits bekleideten Teenagern hört überhaupt nicht auf. Gretel fällt mit ihrer grünen Jacke und ihren blonden Haaren zum Glück auf, sonst hätte ich sie schon lange im Meer der Uniformen verloren… Was ein Glück! Unsere Sitzplatzreservierung ist im Wagen hinter der Schule.
Die 3h nach Tokyo gehen mit „Zeit Magazin“ lesen vorbei. So, die kann ich nun auch endlich entsorgen und so habe ich wenigstens nicht weiterhin das schlechte Gewissen, dass ich keine meiner abonnierten Zeitungen lese.
Der Hauptbahnhof von Tokyo ist voll! Wir sind definitiv wieder zurück, wo wir vor genau 2 Wochen gestartet haben. Nach Shinjuku kämpfen wir uns durch die Massen vor und im dortigen Bahnhof sind wir erst einmal komplett verloren. Es wird gebaut und wir stecken fest in einem Dschungel aus Treppen – weit und breit weder ein Aufzug noch eine Rolltreppe – und das mit unserem ganzen Gepäck. Kriegen wir hin, stehen vor dem Bahnhof und sehen vor lauter schwarzen Köpfen kein Ende. Unser Hotel liegt mitten in Shinjuku, dem Viertel, in dem es auch tagsüber überall blinkt und schreit. Haben wir uns das gut überlegt? J
Durch die Fußgängerzone schlagen wir uns durch. Zum Glück ist hier am späten Nachmittag noch nicht so viel los, wie später am Abend. Unser letztes Hotelzimmer liegt im 25. Stock – Score! Wir stehen im Aufzug und freuen uns riesig. Noch. Insgesamt hat unser Zimmer 11qm… Außer dem sensationellen Blick können wir ihm auch nach 2 Nächten nichts abgewinnen. Wir können uns kaum drehen. Das Zimmer ist genauso breit wie das Bett lang ist. Den Stuhl, der am winzigen Schreibtisch steht, drehen wir kurzerhand um und stellen ihn auf die Tischplatte. So kann wenigstens 1 Koffer halb aufgeklappt unter den Tisch. Der andere liegt – auch nur halb offen – zwischen Bett und Kühlschrank. Und schon ist das Zimmer voll. Nach unserer Suite, aus der wir heute morgen ausgecheckt haben, schon ein kleiner Kulturschock.
In Japan wird es dunkel, aber in Tokyo – und in unserer Gegend – bleibt es taghell! Läden, Restaurants, Bars, Nachtclubs, Sexshops, „Massage“-Studios, alle kämpfen um die Aufmerksamkeit der sich vorbeischiebenden Menge mit noch helleren Neonröhren, noch schneller blinkenden Schildern, den anderen übertönenden Lautsprechern aus denen Musik oder eine japanische Stimme dröhnen. Das einzige Wort, das mir hier einfällt: Reizüberflutung! Das Gehirn kann gar nicht so schnell mitdenken, wie hier die unterschiedlichen Eindrücke auf es einprasseln. Wer schonmal am Times Square war, kann sich das vorstellen, als ob der Times Square ein komplettes Stadtviertel ist und auf Speed!
Zum Glück gibt es immer mal wieder kleine Seitenstraßen, die ein wenig ruhiger sind. Hier erholen wir uns. So landen wir auch in einer extrem engen Gasse, in der sich zwar die Touristen durchschieben, die aber trotzdem supercool ist. Hier gibt es Bars und Restaurants, die keine 2m breit sind. Es gibt eine Theke in der Mitte, von der auf der einen Seite der Besitzer kocht und Getränke ausschenkt und auf der anderen Seite ein paar Hocker, auf denen max. 6 Leute Platz haben. Wenn der, der ganz hinten sitzt, aufstehen will, müssen alle aufstehen und ihn rauslassen. Hier gibt es allerhand Gebratenes am Spieß – es raucht aus einigen der „Restaurants“ ordentlich in die Gasse. Wir laufen weiter. Hier einen Platz für 2 zu kriegen scheint unmöglich.
Nach ein wenig Shoppen gehen wir in ein empfohlenes Ramen-Restaurant und haben wie so oft Glück bevor sich eine riesen Schlange bildet. Hier bestellt man wieder an einem Automaten sein Gericht – zum Glück gibt es von allem immer Bilder – und wartet dann vor der Tür bis ein Platz frei wird. Auch hier gibt es nur Thekenplätze. Restaurants, in denen man ein gemütliches Essen zu sich nimmt, gibt es hier nicht besonders viele.
Wir wandern noch ein wenig ohne Ziel durch die Straßen und kommen auch am sehr beworbenen Roboter-Restaurant vorbei. Unsere Vorstellung deckt sich nicht wirklich mit der Realität. Es ist unglaublich hell in der kompletten Straße, aber das Robot-Restaurant ist eigentlich eine Show. Der Eintritt kostet unglaubliche 85USD.
Unser Hotel hat ein Onsen, und das klingt nach dem krassen Spaziergang hier sehr gut. Uh, das warme Wasser… Aus dem krassen Ausgehalter sind wir beide einfach schon raus. J
Ich bin später noch unten in der Lobby, da sehe ich wie gestylt die jungen Japanerinnen ausgehen. Mit extrem hohen Plateauschuhen, sehr kurzen Kleidchen, zurechtgemacht ein wenig wie die Maids im Cafe vor 2 Wochen, die Haare zu 2 Zöpfen hochgebunden, staksen sie hier kichernd aus dem Aufzug, dicht gefolgt von westlichen Männern in Poloshirts, die sehr stark nach After Shave riechen. Shinjuku scheint jetzt erst so richtig aufzuwachen. Aber mir reicht es um 2 Uhr morgens. Ich gehe zu einer niesenden, schnupfenden Gretel in unsere 11qm. J

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