Es ist Samstag Abend. Papa hat mich am Stuttgarter Flughafen bei Schneetreiben abgesetzt. Es liegen bereits ein paar cm Schnee und ich überlege kurz ob es eine gute Idee war den Winter, die Weihnachtsstimmung und meine geliebte Adventszeit hinter mir zu lassen, um durch Afrika zu reisen, wo jetzt Sommer ist.
Der leere - und das meine ich wörtlich - Flughafen, in dem sowohl bei der Gepäckaufgabe als auch bei der Sicherheitskontrolle alle Beschäftigten auf mich warten, hatte ich noch nie. Und das stimmt mich positiv :)
Der flugtechnische Umweg über Istanbul wird mit sehr gutem Service und extrem gutem Flugzeugessen schon auf dem 1. Flug entlohnt. 11h von Istanbul bis Cape Town mit Abflug um 02:20, ob das wohl klappt mit dem Schlafen?
Ich schlafe - 7h - zumindest ist das der Zeitraum, in dem ich nicht auf die Uhr schaue. Wow! Noch schnell ein gutes Frühstück mit Blueberry Pancakes in Vanillesoße reinzwirbeln, die Landschaft unter mir betrachten, die schon sehr anders aussieht als Europa, und schon setzen wir zum Landeanflug an. Die Freude steigt!
Yay, ich sitze auf der richtigen Seite und habe einen traumhaften Blick auf die Stadt am Meer, zwischen dem Tafelberg und dem Lion‘s Head. Kann es noch besser beginnen?
Die Sorge um meinen geliebten Winter ist vorbei. Hier ist es superschön. Und da… „oh, la mer!“ ;)
Einreise und Koffer gehen ausnahmsweise ohne Probleme und ich bin schon draußen bevor John, mein vorabgebuchter Taxifahrer, es zum Flughafen schafft. Am hell erleuchteten Baum warte ich auf ihn und bis er kommt, sehe ich sehr sehr viele gut gelaunte Menschen in den buntesten Sommerklamotten. Nein, ich bin definitiv nicht mehr in Europa. ;)
„Lauf bloß nicht allein auf offener Straße, schon gar nicht nach Anbruch der Dunkelheit und nimm nix mit, was wertvoll ist“
Mit diesem gut gemeinten Kommentar von allen möglichen Leuten aus Europa im Hinterkopf packe ich meine neue Kamera, meine Kreditkarte und mein Handy in den Rucksack und laufe los in Richtung Innenstadt. Und da wird mir doch tatsächlich ein wenig mulmig weil mein Weg mich durchs Büroviertel führt, in dem am Sonntag alles leer und gespenstisch wirkt. Die Innenstadt entschädigt sofort mit sehr viel Polizei, mehr als es meiner Meinung nach Not tut. Aber es gibt einen Grund dafür. Das Lichterfestival findet heute ab 4 statt. Die komplette Innenstadt ist abgeriegelt für Autos und man kommt nur nach Taschenkontrolle rein. Und da zählt vor allem das Schauen nach Alkohol dazu, wie ich später erfahre.
Es dauert ein wenig bis ich mich orientiere. Dieses Gefühl in einer neuen, unbekannten Stadt zu sein, das kenne ich ja gar nicht mehr - schönes Gefühl… da kommt was Tolles, ich weiß es.
Ich irre durch die Straßen der Innenstadt und merke, dass mein Flugzeugfrühstück sehr lange her ist. Mein Magen knurrt und verlangt nach etwas Frischem, einem Salat oder etwas in der Art. Ich sehe aber nur Fastfood Läden. Erinnerungen an mein letztes Mal in Südafrika werden wach. 2011: „Nein, Salat haben wir nicht, nur Fleisch, Frittiertes und Kartoffeln.“ Damals bin ich nach zwei Wochen fettigem Essen auf der Flugzeugtoilette auf sitzend nach Hause geflogen. Das will ich nicht noch einmal.
Und es scheint als ist Südafrika mittlerweile auch grüner oder ist es Kapstadt, die coole Stadt am Zipfel des Kontinents. Im Motherland Café gibt es nicht nur sehr guten Kaffee sondern auch einen Avocado Toast mit Salat. Und es gibt noch mehr. Die Capetown Free Tour beginnt hier - in 45min. Jackpot! Das habe ich schon in vielen Städten gemacht, immer nette Leute kennen gelernt und auch hochauflösend in der Regel witzige Art etwas gelernt.
Wir sind 8 Neugierige aus der Schweiz, Kanada, Uganda, Schweden, Deutschland und Japan. Fathiema ist zertifizierte Tourguide und weiß nicht nur viel. Sie war unter anderem ständig auf Demonstrationen gegen die Apartheid und sich mehrfach in der Kirche versteckt, in der Desmond Tutu der Erzbischof war.
Wegen der Parade können wir die Tour nicht so machen wie geplant. Naja, eigentlich wegen dem Japaner. Der hat nämlich Bier im Rucksack und darf deshalb nicht in den abgesperrten Bereich.
Egal. Es ist trotzdem spannend und wir hören viel später als die geplanten 1,5h auf.
Die Schweizerin, eine junge Studentin, die für einen Englischkurs hier ist, hängt sich an mich. Sie ist ängstlich und will nicht allein durch die Menschenmassen laufen. Gemeinsam gehen wir zum Rathaus, auf dessen großem Vorplatz - der Grand Parade - live Bands spielen. Was uns beiden auffällt. Es gibt sehr viele Stände, die aber alle nur blinkende Haarreifen mit Ohren, bunte, blinkende Ballons, blinkende Schwerter und andere Dinge, die direkt mit dem „Festival of Lights“ zu tun haben, anbieten. Kein Essen und keine Getränke. Und durch die Eingangskontrollen hat auch keiner was dabei. Es bleibt nur KFC, Nando‘s oder Mc Donald‘s, die wahrscheinlich heute ihren Jahresumsatz machen.
Die Dämmerung kommt gegen 7 und da verabschiedet sich Cecile in ihre Unterkunft direkt auf der Adderley St, auf der sehr viel los ist. Meine Neugier ist zu groß, und überall sind Familien, Polizisten, Security Leute. Ich fühle mich sicher, packe meine Kamera wieder aus und nehme die Eindrücke mit.
Während ich in Südamerika eher vorsichtig sein muss, wenn ich jemanden fotografieren will, laufen mir hier ständig Leute ins Bild, die fotografiert werden wollen. Das gefällt mir natürlich.
Um 7 sollen die Lichter vom Bürgermeister feierlich angezündet werden. So wird in Kapstadt nicht nur der Sommer sondern auch die Weihnachts - und Touristenhochzeit eingeläutet. Da kommt die Deutsche an ihre Grenzen. Es ist schon halb 8, und noch keine Spur vom Bürgermeister. Außerdem ist es noch hell draußen. Zum Glück bin ich im Urlaub, fühle mich nach wie vor sicher und habe sehr viel Spaß. Alle tanzen, singen, essen und unterhalten sich. Um acht gehen die Lichter an wird mir versichert.
Aber wir sind hier nicht in Deutschland. Ich bin ernsthaft am Überlegen ob ich nicht doch schon gehen soll. Der Hunger treibt mich, aber die fröhlichen Menschen lassen mich da bleiben. Ich lande in einem Fastfood Laden. Kurz vor 9 höre ich über den schallenden Lautsprecher endlich eine Stimme - der Bürgermeister. Und zeitgleich kommen laute Stimmen aus der Entfernung, die sich die Straße runterbewegen. Ich sehe Palästina-Flaggen und schon kommt die Gruppe durch die Menge. Sie lenken vom Bildschirm ab, sind aber so schnell weg wie sie gekommen sind. Ihre Nachricht ist simpel und mittlerweile weltweit bekannt: Free Palestine!
Wir vergessen fast, was im Moment auf dem großen Platz passiert. Und schon flackern überall die Lichterketten. Yay!!! Die Weihnachtssaison ist eröffnet und alle jubeln.
Morgen werde ich lernen, dass das eine Veranstaltung ist, zu der in der Regel nur Familien gehen. Und das wird für mich im Nachhinein sehr klar. Der perfekte Auftakt für meinen Aufenthalt in Südafrika ist es trotzdem. :)
Vom Hotel aus vereinbare ich mit John, dass er mich zum Ende von Afrika fahren wird und an ein paar andere wunderschöne Stellen. Und ich bin froh, dass ich kein Auto mieten, mich an den Linksverkehr gewöhnen muss und obendrein noch die schönsten Aussichtspunkte verpassen werde.
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