Saturday, April 23, 2016

23. April Mehr Afrika geht nicht

Meine Gepäcksuche geht in die 2. Runde. Auch wenn der Flieger erst um 10:30 landet, muss doch bei Abflug klar sein, ob mein Koffer es an Bord geschafft hat oder nicht. Das verstehen schon die Kollegen an der Rezeption nicht und bei Ethiopian Airlines in Djibouti ist noch nicht mal jemand im Büro um kurz nach 9. In Äthiopien bei der 24h Nummer geben sie uns mehrere Telefonnummern von denen keine die gewünschte Auskunft hat und bis unser Guide kommt, gebe ich genervt auf. Wenn das Gepäck morgen abend immer noch nicht da ist, wird es maximal kompliziert, weil wir nach Dire Dawa weiterfliegen. Dann ändert sich die angegebene Destination auf dem Koffer.
Egal. Jetzt konzentriere ich mich erstmal auf Omar, unseren Reiseführer für die nächsten beiden Tage. Der kleine Djiboutaner mit den coolen Jeans, dem knallroten Santa Cruz T-Shirt und dem lässigen Hut begrüsst uns und entschuldigt sich gleich mal für die Verspätung. Wir steigen in den Toyota Jeep, lernen Abdullah, unseren Fahrer kennen und müssen erstmal die Hälfte des Geldes zahlen, damit die Jungs tanken können. Auf dem Weg nehmen wir eine Frau mit. Das ist der Anfang unseres Daseins als Taxi. Mit einer Menge Wasser und vollem Tank fahren wir mitten durchs Stadtzentrum und stellen fest, dass wir wirklich nichts verpasst haben. Ausser ein pasr dreckigen Strassen und kleinen Läden, die das Nötigste verkaufen, gibt es hier wohl wirklich nichts zu sehen.
An einer Strassenecke tauschen die Jungs einen Teil unserer Dollar in DJF um und wir fahren weiter in ein armes Viertel. Julia und ich sind geschockt wie die Menschen hier leben. Mit Ästen bauen sie Hütten, wo es geht wird mit Wellblech gearbeitet, meistens aber nur mit Plasitktüten. Das ist für uns unvorstellbar. Allerdings regnet es hier auch manchmal 2 Jahre nicht. Das sieht man am Staub.
Die Kinder, die hier rumrennen, haben zum Grossteil keine Schuhe an. Eigentlich will man sofort aussteigen und ihnen etwas zum Anziehen und Essen kaufen.
Jetzt sind wir unterwegs auf der Strasse am Hafen, der wirklich beeindruckend groß ist. Omar erzählt, dass hier alles umgeschlagen wird, was nach Äthiopien geht, vor allem Stahl und das sehen wir auch.
Die Chinesen bauen eine neue Eisenbahnstrecke ins Nachbarland. Äthiopien und Djibouti sind sehr gute Freunde. Djibouti lässt sie den Hafen nutzen und dafür kriegt Djibouti eine Menge aus Äthiopien. Wenn man sich vorstellt, dass wir immer noch für Äthiopien spenden, ist es umso krasser zu sehen, dass sie von dem Wenigen noch was an Djibouti abgeben. So ganz verstehe ich die Beziehung allerdings nicht. Mit dem Hafen müsste Djibouti eigentlich reich sein, wenn man bedenkt wieviel hier umgeschlagen und in den Rest Afrikas transportiert wird.
Auch eine Wasserleitung wird gebaut, die für die geschätzten 1Mio - wer weiss das in den Dörfern und Nomadenzeltstädten schon so genau - Frischwasser aus Äthiopien bringen soll.
Bisher besteht Djibouti für mich aus Geröll. Überall liegen Steine, Brocken und es schaut ein wenig aus wie auf den Kriegsbildern, die wir aus Syrien kennen. Aber hier war kein Krieg. Hier bauen die Nomaden sich aus dem Geröll Hütten und wenn sie weiterziehen, verfallen sie langsam.
Kaputte, rostige Autos und LKWs und tausende Autoreifen säumen den Strassenrand.
Unser erster Stop ist Dimbia, der afrikanische Grand Canyon :) Er ist ein wenig kleiner, aber nicht weniger beeindruckend als das amerikanische Original und vor allem sind wir die einzigen Besucher.
Bevor wir in Richtung Lac Assal abbiegen, halten wir bei einem Reifenhändler und überprüfen die Luft. Reifen sind ein großes Thema in Djibouti. Das könnte daran liegen, dass hier kein einziger Reifen den Profilanforderungen des deutschen TÜVs standhalten würde.
Ein Auto hält und der Chef des Reiseagentur - Papa Houmed - steigt aus. Er begrüsst uns und fragt mich nach meinem Luggage Tag damit er sich darum kümmern kann, dass ich mein Gepäck bekomme. Er wird es auch vom Flughafen holen und im Büro abstellen. Yay!
Am Aussichtspunkt des Goubet Sees sehen wir zum letzten mal andere Touristen.
Der Goubet See hat eine Verbindung zum Roten Meer und füttert den Lac Assal, der mit 350g Salz pro Liter Wasser zwar nur der zweittiefste See der Erde ist, aber definitiv der Salzigste.

Jetzt sind wir 150m unter dem Meeresspiegel. Die Luft ist heiss, der Wind bläst wie ein Föhn. Durch den Regen der letzten Tage ist der Wasserspiegel nach oben gegangen und wir müssen die Schuhe ausziehen, um auf den See zu kommen. Normalerweise könnten wir mit den Schuhen direkt auf dem Salz laufen. Das Wasser ist lauwarm, der Wind bläst und so lässt es sich wirklich aushalten, auch wenn meine kleine Wunde am Fuss brennt wie Feuer. Allein das Abschlecken meines in den See getauchten Fingers ist als ob ich einen Teelöffel Salz pur esse. Baden wäre schon cool, aber ohne Bikini und Dusche für hinterher ist das schlecht möglich. Die Beine sind innerhalb kürzester Zeit mit einer Salzkruste überzogen.
Die Jungs von der Deutschen Marine hatten gesagt, wir können auf keinen Fall ohne Schuhe hier rumlaufen. Was sind das denn für Pussies?

Die 2h nach Dhikil sind von der Landschaft her sehr von Geröll geprägt. Das werde ich wohl für immer mit Djibouti in Verbindung bringen.
Im Palmenparadies in Dhikil kriegen wir ein Sandwich und fragen uns welche braune Soße bei meiner Spriteflasche wohl runterläuft. Wenn ich mir aber das Wasser anschaue, mit dem ich in der Toilette zu spülen versucht habe, kann ich mir vorstellen, dass das "Leitungswasser" war.
Das Chicken Sandwich schmeckt nicht nur uns. Ein Hund mit einem Schwanz, der mehr nach Schwein ausschaut so geringelt wie der ist, legt sich schonmal unter den Tisch. Ein paar weitere folgen und schauen hungrig in unsere Richtung. Fast mag einem der Appetit vergehen wenn man sieht wie dünn die Tiere hier alle sind.
Julia isst hauptsächlich das Brot und füttert später die Hunde. Abdullah ist mit unserem kompletten Gepäck, Geld und Pässen in der Stadt unterwegs und kauft das, was wir heute abend essen wollen. So richtig unwohl ist mir dabei nicht. Ich hatte noch nie das Gefühl, dass hier einer hinter unserem Hab und Gut her ist.

Als ich wieder ins Auto einsteige, erschrecke ich. Von der hinteren Bank starren mich zwei Kinderaugen an. Wir nehmen Mama und Kind mit ins nächste Dorf. Auch auf dem Beifahrersitz ist Omar nicht mehr allein. Der Zweite will nur mit in die Stadt und wir müssen ohnehin halten und noch mehr Essen kaufen, auch Salat. Der schaut ein wenig komisch aus, eher wie eine Sammlung von langen dünnen Baumblättern. Wir riechen dran, können aber nichts komisches feststellen. Das wird ein interessantes Gericht werden.
Dhikil ist erschreckend. Die Menschen leben hier zwischen Geröllbergen und im Müll. Wir können es kaum fassen.
Bevor wir weiterfahren, halten wir noch an einer "Tankstelle" also einem Laden, aus den ein Junge grosse Kanister mit Benzin trägt und mit einem selbstgebauten Trichter aus einem alten Eimer in den Tank füllt.
Über das Rollfeld des Flugplatzes geht es los.
Ab hier sind wir jetzt in der Wüste. Die Landschaft scheint sich ständig zu ändern, mal ist alles grau und grobkörnig und dann wieder gelblich und eher wie Mehl. Und weil es vor kurzem erst geregnet hat, sind alle Sträucher grün. Das gibt es hier sehr selten und so kriegen wir gleich noch ein kleines Wunder zu sehen.
Im nächsten Dorf "Askela" ist unser Fahrer aufgewachsen. Wir halten an, mitten in der Wüste.
Beim Aussteigen bin ich sofort von mindestens 10 Kindern umringt. Ein Mädchen verkuckt sich in Pia, die von meiner Gürtelschlaufe hängt, aber die kann ich wirklich nicht hergeben. Ich bitte Omar zu übersetzen, dass ich diesen Glücksbringer von meinem Patenkind habe und ausser der Sicherheitsnadel nichts herzugeben habe. Er übersetzt und erklärt im Gegenzug, dass sie dachten, das ist etwas zu essen. Da habe ich nur eine Packung Ricola. Die hole ich aus dem Auto, aber bevor ich die Tür wieder richtig zu- und die Packung aufkriege, haben mir die Kinder alles aus der Hand gerissen und sind fleissig am Lutschen. Sie teilen sich die Bonbons sogar und lassen sie jeden mal in den Mund nehmen.
Omar erklärt uns, dass die französischen Soldaten immer Bonbons dabei haben und deshalb alle so scharf drauf sind. Wir lassen Frau und Kind aussteigen und unseren Koch für heute abend ein.
Eine weitere Stunde in Richtung Niemandsland und wir halten im Nomadendorf Kutabuya. Hier spielt sich dasselbe ab, nur dass wir keine Bonbons mehr zu verschenken haben. Wir geben unsere Bananen, die für den Nachtisch gedacht waren, ab. Viele der Kinder wollen uns anfassen und strecken die Hand aus. Hier würde ich gern eine Weile bleiben und Fotos von den Kindern machen.
Ab hier ist die Piste richtig schlecht. Die Landschaft schaut mondartig aus mit dem ganzen Vulkangestein. Wir kommen nur noch langsam voran. Und dann, 20 min vor der Ankunft am See passiert es. Wir stecken im Schlamm fest. Mit vereinten Kräften versuchen wir den Reifen zu befreien, aber es tut sich nichts. Im Gegenteil, er gräbt sich nur noch tiefer ein. Die Jungs buddeln mit bloßen Händen im Matsch. Wir suchen Steine zusammen, zum unterlegen. Aber nichts scheint zu helfen. Schliesslich packen sie den Wagenheber aus und versuchen das rad soweit hochzubekommen, dass sie Steine darunterlegen können. Und es kommt noch schlimmer. Der Wagenheber rutscht ab und macht das Ventil kaputt. Mindestens eine halbe Stunde brauchen wir, und am Ende schaffen wir es mit viel Schieben, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Puh! Reen wechseln und weiter geht's.
Im Dunkeln fahren wir weiter zum Camp. Die Kamine, an denen wir noch vorbeifahren, sind auch im Dunkeln sehr beeindrucken und ich freue mich auf morgen.
Camp trifft es in dem Fall wiklich. Es sind Nomadenhütten, in denen Feldbetten mit Matratzen liegen. Ich weiss nicht, was ich erwartet hatte, aber das nicht. Und doch ist es irgendwie cool. Wir wissen, dass wir heute nacht beide nicht viel schlafen werden und kriegen uns kaum noch ein vor Lachen. Wer hat schon einmal soviel bezahlt für so wenig Komfort?
Der Sternenhimmel ist sensationell. Der große Wagen komplett auf dem Kopf, Orion liegt, aber alles ist gestochen scharf. Kein elektrisches Licht stört und der Mond ist noch nicht aufgegangen.
Den "Salat" haben die Jungs übrigens schon während der Fahrt angefangen zu essen und jetzt lassen sie die Katze aus dem Sack, es ist Kautabak - Kat. Ich probiere und spucke ihn sofort wieder aus. Wenn ich schon Blätter esse, dann sollen sie wenigstens schmecken :)
Zum Abendessen gibt es Salat. Ich riskiere eine Magenverstimmung und esse davon. Unmöglich kann ich jetzt 2 Wochen nichts Frisches essen. Und toi toi toi, bisher klappt es gut.
Die Spaghetti, Soße und das Ziegenfleisch (?) sind auch super und danach gibt es sogar noch frische Orangen. Dafür, dass wir hier in der Wüste sind und hier überhaupt nichts wächst, ist das meiner Meinung nach sensationell.

Julia hängt im Zelt noch ihr Moskitonetz auf und wir versuchen zu schlafen. Das ist aber bei der Hitze nicht so einfach. Ausserdem können wir beide nicht glauben, dass wir wirklich in einem Nomadenzelt liegen. So unwirklich kommt es uns vor.

Wenn ich mir überlege, dass ich vor 2 Tagen noch in Deutschland war, kommt es mir vor wie eien Ewigkeit.

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