Thursday, September 17, 2015

17. September Mr. Tin

Es kruschtelt neben mir und ich wache auf. Meine Bettnachbarin räumt ihr Zimmerviertel auf. Es ist hell draussen. Die Uhr sagt 7:30. Das geht ja. Trotzdem döse ich nochmal weg und stehe dann kurz vor neun auf, um im Schlafanzug auf dem Balkon zu frühstücken. Ziemlich laut nier an der Hauptstrasse aber wen stoert das schon. Es sind ja nicht die Motorengeräusche, sondern das exzessive Hupen und das erinnert mich doch stark an letztes Jahr... Vietnam- und Indien-Erinnerungen kommen hoch.
Warum habe ich mir eigentlich einen Plan gemacht? Ich bin wohl noch nicht lange genug wieder unterwegs. Der Plan war... Den Stadtrundgang aus dem Lonely Planet machen, dann mit dem Taxi zum liegenden Buddha fahren und gegen 3 im Circle Train sitzen und die Vororte von Yangon anschauen.
Die Sule Pagoda schaffe ich noch. Das ist doch tatsächlich ein Tempel mitten in einem Verkehrskreisel und untendrin sind kleine Läden, die alles verkaufen, ausser religiösen Dingen. Ich zahle erstmal 3000 Kyat Eintritt und dann noch 1000 für meine Schuhe. Die kann ich eigentlich auch in den Rucksack packen, aber das darf ich nicht. Ich muss bezahlen. So kann man sich natürlich auch was dazu verdienen. Der Rundgang geht weiter an einer schrecklich lauten Strasse entlang und ich entscheide mich abzubiegen in eine Seitenstrasse. Die führt zur Hafenstrasse, die noch breiter und lauter, vor allem aber dreckiger ist. Hier entlang müsste eigentlich die Bohtataung Pagoda kommen. Dann mach ich doch die zuerst. Tja, und nier nimmt das Schicksal seinen Lauf. Ich bin total verschwitzt, vergesse natürlich meine Schuhe schon vor dem Kassenhaus in den Rucksack zu packen, zanle wieder den vollen Touripreis und muss im Innern der Pagoda erstmal verschnaufen. Hier hat es Klimaanlage, die aber wie immer auf 17 Grad eingestellt ist, was dafür sorgt, dass man zuerst den Kälte- und hinterher den Hitzeschock bekommt. Das ist die einzige Pagoda, die hohl ist. Sie ist komplett mit Gold geschmückt. Nicht unbedigt mein Style. Schnell bin ich beim Schildkrötenteich und setz mich erstmal. Ich muss lesen, was ausser dieser hohlen Zwiebel es hier sonst noch gibt. Einen Bronzenen Buddha. Aha. Um mich herum picknicken alle und schauen mich entgeistert an. Die Touristen setzen sich wohl nicht so oft. Die gehen lieber gleich weiter. Ich mache mich auf die Suche nach dem Buddha und finde nicht nur ihn sondern auch Tin, einen etwas älteren, sehr hageren Mann, der mich sehr nett fragt, wo ich herkomme. Deutschland... Ja, das kennt er. Das waren mal 2 Länder, dann kam Helmut Kohl, jetzt ist es ein Land und Angela Merkel ist die Chefin. Er sagt mir ich soll hier die Glocke schlagen, 5x. Und das hat einen Grund!
1. Für Jesus
2. Für die Bibel
3. Für den Bischof
4. Für meine Eltern
5. Für meine Lehrer
Dieses Thema wird mich jetzt den ganzen Tag begleiten. Jetzt hat er mich. er zeigt mir den Buddha ganz genau, sagt mir, dass ich ein Foto machen soll, nicht kann und fängt an zu fragen was mein Born Day ist. ??? Was ist das denn? 30.1.. Nein, Montag, Dienstag, Mittwoch morgen oder Nachmittag, Donnerstag,... Ah... Dienstag. Und meine Familie? Alle muss ich aufzählen und die Tage im hundertjährigen Kalender nachschauen. Dann muss ich bei jeder Wochentagsstatue für die Born Days von Mama (Samstag), Papa (Sonntag) und Lisa und mich (Dienstag) fünfmal Wasser über den Buddha und fünfmal über das dazugehörige Tier giessen. Bei Mama und Papa macht er es für mich. Dann erklärt er mir ganz genau was die Tiere, die Steine, die Himmelsrchtung und das Amulett von uns allen sind. Das muss ich erst nochmal nachlesen, was das mit der Himmelsrichtung ist und mir war auch nicht bewusst, dass der Wochentag so wichtig ist bei der Geburt. A propos Geburt... Ich muss die 4 Wachmänner des Buddhas fotografieren und dann erzählt mir Tin, dass ich die Fotos daheim ausdrucken und meinen schwangeren Freundinnen geben muss. Dann tut die Geburt nicht weh, und es wird kein Kaiserschnitt. Das mach ich doch glatt... Er zeigt mir den Rest des Geländes und fragt mich immer wieder wo ich als nächstes hingehen möchte. Er zeigt mir den Stadtbus, der kostet nur 200Kyat (20 US Cent), sehr billig und eine Erfahrung für mich. Ich kann Fotos machen wie ich will, von den Leuten, vom Bus. Das sind doch mal Aussichten. Aber natürlich geht er mit, und ich habe einen neuen Freund. Im Bus fallen wir ziemlich auf. Der Alte und die Touristin. Alle grinsen und tuscheln. Tin fächert mir immer wieder Wind zu. Zum Busfahren selbst gibt es gleich noch einen Exkurs... Das ist einfach zu gut!
Beim liegenden Buddha steigen wir 40min später und um einige Stories reicher völlig durchgeschwitzt aus dem Bus. Eigentlich habe ich Hunger, aber mein Guide sieht noch keine Pause vor. Wir stehen vor einer grossen Fabrikhalle... Überhaupt nicht Tempelverdächtig. Schuhe abgeben, keinen Eintritt zahlen, reinlaufen und losstaunen. Der Buddha, der hier liegt, ist mehrere Stockwerke hoch und geschätzte 60m lang. Kein Wunder, dass man da keinen Tempel mehr drum bauen kann. Die Augen kommen aus Belgien.
Jetzt habe ich aber richtig Hunger. Tin will schon zur nächsten Pagoda, als ich ihn stoppe. Er führt mich durch einen Garten, in dem eine Menge Müll liegt. Um die Ecke ist ein "Strassenrestaurant" :) ich nenne es einfach mal so. Hier bekomme ich das, was die Burmesen mittags essen: Reis, Huhn, Mungbohnen mit Tofu, extrem scharfe Fischsauce und eine undefinierbare Suppe. Alles bis auf die Fischsauce - die treibt mir Tränen in die Augen - ist super. Und die Frauen freuen sich riesig über den fremden Besuch, genauso wie die Hunde, die meine Hühnerknochen bekommen.
Entlang der Strasse laufen wir zur nächsten Bushaltestelle. Was hier alles verkauft wird, findet man in Deutschland nicht so leicht auf einem Fleck. Es ist unglaublich. Der Bus ist supervoll und wir müssen stehen. Der Rest ist im Exkurs enthalten. Wir sind auf dem Weg zur Krokodil Pagoda. Eigentlich habe ich in den letzten beiden Tagen genügend Pagodas gesehen, aber Tin freut sich so und da kann ich ihm den Spass nicht verderben. Er ist froh, dass er sein Englisch üben kann und ich freu mich an seiner Freude. Den Zug habe ich mir schon abgeschminkt. Ländliches Myanmar sehe ich sicher noch genug. Die Krokodilpagoda ist nun wirklich kein Touristenort mehr. Man kennt sich... Hier sind nur Locals und es scheint, dass sie nicht nur zum Beten herkommen. Das ist ein Ort der Begegnnung. Junge Pärchen sitzen vor - wie es scheint - ihrem eigenen Buddha, denn davon gibt es mehr als genug und unterhalten sich. Manche spielen mit ihrem Handy rum, andere schlafen und natürlich gibt es jede Menge, die Essen, Fische und Krebse für den Teich und alles mögliche andere verkaufen. Nur das mit dem Krokodil in Krokodil Pagoda verstehe ich erst später. Da ist ein riesen Betonkrokodil mitten auf dem Gelände. In seinem Maul ist natürlich ein Schrein und während Kinder oben drauf spielen und sich jagen, beten unten die Erwachsenen, oder aber wickeln auch mal den ganz Kleinen, alles unter den Augen des Krokodilbuddhas. :) Tin hat eine Zigarette geschenkt bekommen. Wir sind ganz nah an seinem Zuhause. Mit ihr zwischen den Fingern läuft er durch die Tempel und erklärt mir alles. Das ist schon ein bisschen merkwürdig für mich, hier scheint es aber niemand zu stören.
Ich schwitze und schwitze... Tin erklärt mir, wie man den Longgi - den Männerrock - bindet... Ich frage mich, was die Männer drunter tragen, denn das Gebinde ist ziemlich locker. Bisher habe ich es noch nicht gesehen. :)
Mit dem naechsten Bus - wenn man das noch so nennen darf - fahren wir zum grauen Marmorbuddha. Diese Stadt ist wirklich an religiösen Highlights nicht zu überbieten. Beim grauen Marmorbuddha treffe ich auf eine unangenehm laute und wenig respektlose Reisegruppe aus China. Der Buddha ist sehr beeindruckend, supergross und aus einem einzigen Stück Marmor hergestellt, dann mit dem Schiff aus Mandalay gebracht. Wie das Schiff bei der Grösse nicht untergehen konnte, ist mir ein Rätsel. Der Buddha wurde dann den Berg hochgezogen zu seinem jetzigen Standort. Unglaublich! Tin erzählt mir, dass er Lehrer ist für Englisch und an der ersten Pagoda Schüler hat, die er immer unterrichtet. Er hat Englisch gelernt, weil er öfters mit Ausländern zu tun hatte. Jetzt gibt er es weiter, weil das die Zukunft von Myanmar ist. Alle müssen Englisch lernen, sonst kann das Land nicht wachsen. Er hofft sehr auf die neue Präsidentin, die im November gewählt werden soll. Gestern habe ich von ihr durch die Autoscheibe schon einen Kalender angeboten bekommen. Nur Bilder von ihr in königlichen Posen. Da wusste ich aber noch nicht, wer sie ist. Er will mehr über meine Familie wissen und ich zeige ihm Fotos. Er freut sich als er meine Oma sieht. Die Menschen in Deutschland werden sehr sehr alt, merkt er. Den Rückweg in der Rush Hour will er wieder mit dem Bus machen. Das ist mir aber ein bisschen zu krass und ich investiere in ein Taxi. Das ist sehr sehr teuer meint er. Mehrere Taxen schickt er weiter, ohnem dass wir einsteigen. Den Preis will er nicht zahlen. Ich verstecke mich, er verhandelt den Preis und schon klappts. :)
Man sieht, wie sehr die Stadt im Wandel ist. Überall entstehen sehr moderne Hochhäuser und Luxus-Wohnungen. Daneben leben die Leute noch im Dreck. Wo sie wohl hinmüssen wenn für sie so nah an der Stadt kein Platz mehr ist? Mir fällt auf, dass alle kleinen Läden dunkel sind. Der Taxifahrer erzählt, dass heute die meiste Zeit kein Strom war, in der ganzen Stadt. Das haben wir überhaupt nicht bemerkt. Überall wo wir waren, haben wir keinen Strom gebraucht und eine Klimaanlage gab es auch nirgends, so dass wir es bemerkt hätten. Die neuen Gebäude haben Generatoren. Die hört man jetzt auch.
Bis wir am Hostel sind, ist es komplett dunkel. Ich will Tin mit dem Taxi nach Hause schicken, aber er besteht darauf, den Bus zu nehmen. Das ist billiger. Für seine Dienste verlangt er nach langem Nachfragen 12000 Kyat (12USD). Was? Da muss ich das Trinkgeld erhöhen. Er freut sich riesig und befiehlt mir - ähnlich wie beim Foto machen den ganzen Tag über - dass ich ihm schreiben muss. Wenn ich in Inle Lake Probleme habe, soll ich ihn anrufen. Er hat mir ohnehin heute nachmittag schon die Adressen von Guesthouses gegeben, damit ich sicher bin. Ich soll da oben auch kein Schweinefleisch essen weil ich dann Durchfall bekomme und meine Kamera immer um den Hals hängen. Da oben ist es viel gefährlicher als hier. So ganz kann ich das nicht glauben, aber ich nehme die nette Geste an. Er verabschiedet sich und verschwindet in der Menge. Ich taste mich das rabenschwarze Treppenhaus hoch und komme erst oben auf die Idee die Taschenlampe meines Handy's zu nutzen. Alles dunkel, aber der Raum ist einigermassen kalt. So lange kann der Strom noch nicht aus sein. Mit der Taschenlampe gehe ich duschen, aber da kommt nur ein Rinnsal raus. Das scheint ohne Strom auch nicht zu klappen und dabei war der Druck gestern sooo gut. Ich schaffe es trotzdem einmal nass zu werden, es dauert halt alles ein wenig laenger. Bei der Schummertaschenlampenbeleuchtung ist es allerdings fast schon romantisch. :)
Ein wenig lieg ich im Dunkeln auf dem Bett, im Hintergrund beten Jogis - weibliche Nonnen - und auf der Strasse herrscht das übliche Chaos. Weit komme ich mit meinem Blog im Dunkeln nicht und das Licht geht wieder an, Musik in allen Ecken, Klimaanlagen, das volle Programm. Jetzt könnte ich den Blog hochladen, aber so weit bin ich noch nicht. Zu viele Eindrücke sind da in den letzten Tagen auf mich eingeprasselt und während ich das hier schreibe, muss ich immer wieder nach oben scrollen und Geschichten ergänzen, die mir einfallen.
Ich habe die Location gewechselt. Die beiden Thai Mädels scheinen noch offline zu sein und ich habe Hunger. Ich bin wieder im selben Restaurant wie gestern, das Essen schmeckt hervorragend und die Besitzer sind supernett. Yummy Restaurant and BBQ... Sehr zu empfehlen. Und grad kam Remo vorbei. Der Schweizer, den ich gestern getroffen habe. Dankend habe ich die Sauforgie abgelehnt, ich fliege um 7... Und während die Kakerlaken unter mir durchkrabbeln und die Moskitos mich fressen, ist dieser Tag zu Ende. Ich kann es nicht glauben.
Ach ja... Mein Flugticket, das ich heute morgen im Hostel übers Telefon habe kaufen lassen, nachdem ich den täglichen Myanmar Flugplan in der Zeitung angeschaut habe - der natürlch am Schluss nicht gestimmt hat - wurde heute nachmittag geliefert. Ohne Papierdokumente fliegt man hier nicht. :) :)

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